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Gregor Gysi und
Oskar Lafontaine

Memorandum
für eine demokratische, freiheitliche, soziale und Frieden sichernde Europäische Union.

Die Europäische Union aus der Sackgasse führen

Die enge Zusammenarbeit in den Europäischen Gemeinschaften und in der Europäischen Union hat den Völkern der beteiligten Staaten unschätzbare Vorteile gebracht. Zwischen Jahrhunderte lang verfeindeten Staaten wurde Frieden gestiftet. Kriege zwischen Mitgliedern der EU erscheinen ausgeschlossen. Der zusätzliche Zuwachs an Wohlfahrt und Wohlstand in den beteiligten Ländern hat über lange Zeit das Leben aller Beteiligten erheblich erleichtert. Der Binnenmarkt, der Wegfall von Kontrollen an Binnengrenzen brachten bis weit in die achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts erhebliche Vorteile für Bürgerinnen und Bürger.

Die Linke will den Weg der europäischen Integration weitergehen. Wir bereiten eine Verfassungskonferenz der Europäischen Linken im März 2007 in Berlin vor. Die Fraktion Die Linke. im Deutschen Bundestag hat Ecksteine für eine Verfassung der Europäischen Union im Deutschen Bundestag eingebracht und stellt sie mit diesem Memorandum zur Diskussion.

Mit der Verabschiedung der Einheitlichen Europäischen Akte 1987 und dem Vertrag von Maastricht schwenkte die Gemeinschaft auf einen fatalen Kurs des neoliberalen Markt-Rigorismus, der Herrschaft der Wirtschaft über die Politik. Mit den Entscheidungen von Lissabon wurde dieser Kurs weiter instrumentalisiert. Der wirtschaftspolitische Schwenk führte jedoch in der Gemeinschaft nicht zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen. Massenarbeitslosigkeit nahm zu, Wachstumsraten schrumpften erheblich, die Einkommen der Oberschichten wuchsen weit überproportional, die Realeinkommen der abhängig Beschäftigten verloren an Wert. Der Anteil der Einkommen aus abhängiger Arbeit nahm zugunsten der Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen erheblich ab. Die Lissabonstrategie begünstigt die Umverteilung von unten nach oben, von einkommensschwach zu einkommensstark. Mit der permanenten Drohung der Abwanderung von einem EU-Land zum nächsten machte die in supranationalen Verbänden in Brüssel organisierte Wirtschaftslobby Druck auf Regierungen, die Besteuerung hoher Gewinne und Einkommen, die Verfügbarkeit öffentlicher Güter, Sozialleistungen und die Umweltstandards abzusenken. Zugleich wurde die Einführung von sozialen, steuerlichen und ökologischen Mindeststandards durch die EU von den Unternehmerverbänden der EU be- und verhindert. Die Erweiterung der EU wird, weil die Mindeststandards fehlen oder nicht realisiert werden, zu üblem Lohn-, Steuer- und Sozialdumping missbraucht.

Mit der Einführung des EURO, die zu erheblichen Erleichterungen im grenzüberschreitenden Verkehr für Wirtschaft und Bürgerinnen und Bürger führte, ging mit dem Statut der EZB eine Verselbständigung der Geld- und Währungspolitik einher, die zuvor in keinem Mitgliedsstaat der Gemeinschaft zulässig war. Finanzvermögen und Spekulationen werden begünstigt. Mit ihrer einseitigen Ausrichtung beeinträchtigt die EZB Wachstum und Beschäftigung im Euroland und macht weitgehend unkontrolliert sogar handwerkliche Fehler. Die zu dieser Einseitigkeit der EZB-Entscheidungen führende Autonomie ist Hauptursache für die gegenüber den USA zurückbleibende Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung in der EU. Der Verselbständigung der Geld- und Währungspolitik gegenüber demokratisch bestellten Parlamenten und Regierungen folgt der Machtzuwachs der Akteure auf den Weltfinanzmärkten; von den 50 weltweit führenden Großbanken und Versicherungen stammen 29 aus Ländern der Europäischen Union. Sie nehmen als mächtige Akteure auf den Währungs- und Finanzmärkten wesentlichen Einfluss auf die gegenüber gewählten Verfassungsorganen autonomen Entscheidungen der EZB.

Die EU dient der Friedensstiftung in Europa. Die Integration der Staaten und Völker Europas bedürfte keiner Bewaffnung der europäischen Institutionen. Seit Maastricht jedoch bestreitet die EU im Geleitzug mit den USA einen verhängnisvollen Weg der Militarisierung der Außen- und Sicherheitspolitik. Dies belegen der Aufbau der »battlegroups«, die Errichtung einer Rüstungsagentur in der EU und der bewaffnete EU-Einsatz in Bosnien-Herzegowina im Kosovo und Kongo. In Brüssel verselbständigt sich eine für die Bürgerinnen und Bürger undurchschaubare EU-Bürokratie. Der dominierende Einfluss der Wirtschaftsverbände auf die EU-Bürokratie und die ihr folgende Kommission ist eine Wurzel des demokratischen Defizits der Europäischen Union. Willensbildung und Entscheidungsfindung im Europäischen Rat, im Ministerrat, in der Kommission sind nicht nur wegen der begrenzten Kompetenzen des Europäischen Parlaments intransparent und anonym. Die EU ist von funktionierender Demokratie weit entfernt. Die mangelnde Bürgerinnen- und Bürgernähe begünstigt die diskrete Einflussnahme von machtvoll organisierten Interessenten.

Undurchsichtige Willensbildung und Anonymität der Entscheidung entfremden die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union von dieser. Die schweigende Zustimmung der Bevölkerung zur europäischen Einigung wich Ängsten vor zunehmender Fremdbestimmung. Die Militarisierung der Politik führt zu Besorgnissen. Die Forderung marktradikaler Technokraten in Brüssel, von Unternehmern und Politikerinnen und Politikern nach immer neuen Lohnkürzungen und weiterem Sozialabbau bei sprunghaft ansteigender Arbeitslosigkeit schüren bei immer mehr Bürgerinnen und Bürgern Ängste um Einkommen und Existenz.

Der von den Regierungen vorgelegte Verfassungsvertrag vom 29. Oktober 2004 hat die Besorgnisse der Menschen genährt. Er begründet keine Zuversicht. Der Verfassungsvertrag steht eher für Stillstand. Der Vertragsentwurf verfestigt die sich seit Ende der 80iger Jahre zeigenden Fehlentwicklungen:

Der Vertrag verpflichtet die Politik der EU stärker und breiter als je zuvor auf das neoliberale Dogma »einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb« (Art. III-177, 178 und 185), begünstigt EU-weiten Sozialabbau und Steuerungswettlauf, er verweigert eine Sozialunion.

Die Regierungen und die Mitglieder im Verfassungskonvent waren ausreichend gewarnt. In Anhörungen des Konvents mahnten Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft immer wieder auf weite Lücken im Verfassungsvertrag hin. Aber »eine Vertiefung des EU-Integrationsprojektes in den Bereichen der Umwelt-, vor allem aber in der Sozialpolitik... das von vielen Bürgern ... erwartete, eindeutige und unmissverständlich kontinentale Bekenntnis zu den konkreten Zielen einer sozialen Marktwirtschaft sowie zu den Chancen und Grenzen der Liberalisierungspolitik blieb aus«. So eine Feststellung der Stiftung Wissenschaft und Politik, die regelmäßig die deutsche Bundesregierung berät-

Militarisierung und Rüstung werden für die ehemals friedensstiftende Europäische Union in Verfassungsrang gehoben, zur Pflicht für die Organe der EU.

Die für Freiheit der Bürgerinnen und Bürger in einer Demokratie unverzichtbare und konstituierende materielle und soziale Sicherung, die gewachsene Verfügbarkeit öffentlicher Güter wird der Privatisierung, der Profitmaximierung der Märkte ausgeliefert. Folgerichtig verfestigt der Vertrag die institutionellen Mängel der Union an Demokratie und Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung, statt ihm abzuhelfen.

Der Vertrag ist mit den ablehnenden Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden gescheitert. Der deutsche Bundespräsident hat mit Rücksicht auf eine beim Bundesverfassungsgericht anhängige Klage, die Ratifikation unterbrochen.

Die Gemeinschaft steckt in einer Krise. In weiteren Mitgliedstaaten, die den Ratifikationsprozess abgebrochen haben, ist eine Ablehnung zu erwarten. Damit ist das Erfordernis der Ratifikation durch alle Mitgliedsstaaten der EU nicht erfüllt. Versuche, den abgelehnten Verfassungsvertrag ohne wesentliche Änderungen, Präzisierungen und Ergänzungen erneut zur Abstimmung zu stellen, sind juristisch zweifelhaft, für Demokraten unzulässig und politische gefährlich. Die Suche nach Wegen zur Fortsetzung des alten Kurses ohne Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger führen in die Irre. Wer dies versucht, verspielt noch mehr Vertrauen und wird die Union nicht aus der Sackgasse führen.

Die Europäische Union der Bürgerinnen und Bürger darf keine technokratischen Verfahren zur Umgehung des Mehrheitswillen ertragen. Sie braucht einen konsequenten Neuanfang, sie muss die neoliberale Fehlentwicklung stoppen, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Mitgliedsstaaten zurück zu gewinnen.

Die Linke in Europa erarbeitet Grundlagen für einen neuen Verfassungsvertrag, der diesem Namen entspricht. Wir legen Ecksteine für einen demokratischen, freiheitlichen, sozialen und Frieden sichernden Verfassungsvertrag als Diskussionsentwurf vor. Der Diskussionsvorschlag ist diesem Manifest für Europa beigefügt.

Eckwerte der Linken für die Verfassung der Union

Die Linke will die Europäische Union als einen, politischen, ökonomischen, sozialen und ökologischen Verbund von staatlich organisierten Völkern. Der Verbund folgt demokratischen Prinzipien. Er ist gerichtet auf Frieden und Wohlergehen der Völker, der europäischen wie aller anderen. Zu den verfassungsrechtlich verankerten Werten und Zielen der EU gehört untrennbar die Sozialstaatlichkeit und die Schaffung einer Sozialunion, in der hohe Standards gelten. Die EU wird nach den Grundsätzen der Subsidiarität tätig. Die Mitgliedsstaaten behalten einen Grundbestand souveräner Rechte. Die EU ist kein europäischer Superstaat.

Die Linke will eine Verfassung der EU mit verbindlichen Grundrechten. Die bislang rechtlich nicht verbindliche Charta der Grundrechte muss präzisiert und um soziale und ökologische Rechte ergänzt werden. Die Grundrechte müssen für die Bürgerinnen und Bürger einklagbar sein. Das Recht auf menschenwürdige und Existenz sichernde Arbeit und das Recht auf soziale Sicherheit, das Recht auf Schutz vor Armut und sozialer Ausgrenzung muss von Verfassung wegen gewährleistet sein.

Die Linke will das Eigentum schützen und zugleich ähnlich dem deutschen Grundgesetz auch regeln, dass Eigentum auch verpflichtet. »Die Verfügung über das Eigentum und seine Nutzung muss auch sozialen Belangen, dem Umweltschutz und anderen Erfordernissen des Gemeinwohls entsprechen.« Die Verfassung schütz das Grundrecht auf Kollektivverhandlungen und Kollektivmaßnahmen, es enthält künftig ausdrücklich das Recht zum politischen Streik (Generalstreik).

Die Linke will, dass bei Konflikten zwischen dem Grundrechtsschutz nach der Charta und den Verfassungen der Mitgliedsstaaten der jeweils höhere Rechtsstandard gilt. Damit wird sichergestellt, dass die Grundrechte der nationalen Verfassungen der Mitgliedsstaaten durch die EU-Verfassung nicht eingeschränkt werden können und auch der umgekehrte Weg ausgeschlossen wird.

Die Linke will Verfassungsbestimmungen mit grundlegenden Aussagen zu den Politikbereichen der EU. Bei diesem hohen Anspruch haben die meisten Bestimmungen des Teils II des abgelehnten Verfassungsvertrages und die aus sich heraus unverständlichen Protokolle und Anhänge in einer Verfassung nichts zu suchen. Die Verfassung ist Ausdruck demokratischer Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger. Sie darf einen zumutbaren Umfang nicht überschreiten, muss klar und verständlich sein, um technokratisch manipulierter Interpretation widerstehen zu können.

Die Linke will eine Verfassung mit einem besonderen Kapitel über eine zu schaffende Sozialunion. Sie will eine solche, die menschenwürdige und Existenz sichernde Arbeitsplätze, eine Angleichung auskömmlicher sozialer Standards anstrebt und einen Wettlauf von Lohn- und Sozialdumping zwischen den Ländern und Regionen Europas verhindert.

Die Linke will eine Verfassung, die die Union und die Mitgliedsstaaten auf die Förderung von Wohlfahrt und Wohlstand verpflichtet. Union und Mitgliedsstaaten haben eine gleichgewichtige gesamtwirtschaftliche Entwicklung anzustreben. Wirtschafts-, Finanz-, Budget-, Steuer-, Geld-, Währungs- und Außenwirtschaftspolitik sind so abzustimmen, dass sie bei stetigem, angemessenem, qualitativem Wirtschaftswachstum nach strengen ökologischen Kriterien, zugleich zu Vollbeschäftigung, Stabilität des Preisniveaus und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht der Union beitragen. Wirtschaftswachstum in der Gemeinschaft und in den Mitgliedsstaaten ist angemessen, wenn das Potential der Erwerbstätigen bei Stabilität des Preisniveaus ausgeschöpft wird. Alle Organe und Institutionen der EU, auch die Europäischen Zentralbank, sind auf diese Ziele und Zur Koordination, zur Abstimmung ihrer Politik mit den Entscheidungsträgern verpflichtet. Die Zentralbank unterliegt, wie alle Organe der Gemeinschaft, demokratischer Kontrolle.

Der bestehende Stabilitäts- und Wachstumspakt entspricht nicht der Zielsetzung einer gleichgewichtigen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, er sieht einseitig nur finanzpolitische Verpflichtungen mit der Wirkung der Dämpfung von Nachfrage und Konjunktur in den Mitgliedsstaaten. Deshalb müssen Gemeinschaft und Mitgliedsstaaten auf eine Fiskalpolitik verpflichtet werden, die ein gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht in der Gemeinschaft und in den Mitgliedsstaaten anstrebt, also Expansion und Dämpfung ermöglicht.

Die Linke will keinen Verfassungsrang für interessengeleitete Paradigmen des Zeitgeistes wie die im gescheiterten Vertrag zum Verfassungsgrundsatz erhobene »offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb«. Die Verfassung muss wirtschaftspolitisch neutral und gegenüber einer gemischtwirtschaftlichen Ordnung mit einem bedeutenden öffentlichen Sektor, sowie künftigen Erkenntnissen der Wissenschaft und politischen Entwicklungen offen sein. Sie wird grundlegende demokratische Veränderungen nicht ausschließen, soweit sie sich im Rahmen der Grundrechte halten.

Die Linke will eine Verfassung der Union, die Privateigentum schützt und zugleich auch verpflichtet, sie überlässt die nähere Bestimmung der Eigentumsordnung den Mitgliedsstaaten. Keine Bestimmung der Verfassung oder sonstigen Gemeinschaftsrechts darf so ausgelegt werden, als schließe sie eine begrenzte und entschädigungspflichtige Überführung einzelner Wirtschaftsbereiche in nationale Gemeineigentumsformen aus, oder als erzwinge sie die Privatisierung bestehenden Gemeineigentums, öffentlicher Unternehmen und Einrichtungen der Daseinsvorsorge.

Die Verfassung kann zulassen, dass Kommission, Rat und EU-Parlament, Leitlinien für eine nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Union erarbeiten.

Die Organe der Gemeinschaft werden verpflichtet, ein Währungssystem anzustreben, welches das außenwirtschaftliche Gleichgewicht der Union stützt und Spekulation gegen Währungen weitgehend ausschließt. Die Öffnung der Außengrenzen der Union für Waren, Dienstleistungen, Geld- und Kapitalströme muss Mindeststandards der Besteuerung, des sozialen Schutzes der Bürgerinnen und Bürger sowie der Umwelt in Drittländern dienen.

Die Verfassung muss die Gemeinschaft auf ein Wettbewerbsrecht und eine Steuerpolitik verpflichten, das Mindeststandards im EU-Binnenmarkt schützt. Fairer Wettbewerb zwischen Unternehmen im EU-Binnenmarkt für Personen, Dienstleistungen, Waren und Kapital und die Niederlassung im EU-Binnenmarkt bedürfen verfassungsrechtlicher Verpflichtungen zu steuerlicher, sozialer und ökologischer Absicherung, wenn er dauerhaft zur Steigerung von Wohlstand und Wohlfahrt in den Staaten der Union beitragen und nicht zur Verdrängung oder Verlagerung von Unternehmen und Arbeitsplätzen bei Absenkung der Lohnniveaus, der Umweltstandards und des sozialstaatlichen Niveaus in der Gemeinschaft und in den Mitgliedsländern führen soll.

Die Linke will die Europäische Union als einen Raum der Freiheit und des Rechts. Die Verfassung muss Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in allen Mitgliedsstaaten gewährleisten. Die Linke will Bewegungsfreiheit ohne Grenzkontrollen und gleichen Rechtsschutz für alle EU-Bürgerinnen und –Bürger. Zugleich ist dieser Raum offen für Asylsuchende, Menschen in Not und für näher zu bestimmende Immigration. Zur Stärkung der demokratischen Kultur in der Union wird ein dreistufiges Verfahren der Volksgesetzgebung mit Bürgerinitiative, Bürgerbegehren und Volksentscheid entwickelt, das nur überwindliche Hürden enthält.

Die Linke will den zivilen Charakter der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Union festschreiben. Die Union soll für die Demokratisierung und Stärkung der Vereinten Nationen eintreten und deren Charta achten. Sie wirkt mit den Vereinten Nationen und ihren Spezial- und Regionalorganisationen bei der Sicherung des Friedens und der Förderung nachhaltiger Entwicklung und einer gerechten Weltwirtschaftsordnung zusammen. Allgemein verbindliches Völkerrecht genießt Vorrang vor EU-Recht. Angriffskriege werden in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht für verfassungswidrig, verbrecherisch und strafbar erklärt.

Die Linke will eine EU, die ihre Ziele mit friedlichen und zivilen Mitteln verfolgt. Dazu wird ein ziviler Europäischer Friedensdienst aufgebaut. Der Aufbau eigener europäischer Streitkräfte kann solange nicht einmal erwogen werden, wie die nationale Streitkräfte nicht zeitgleich abgeschafft werden und die europäischen Streitkräfte nicht ausschließlich der Selbstverteidigung dienen und einem strikten Aggressionsverbot unterliegen.

Die Union fördert die Abrüstung von konventionellen und Massenvernichtungswaffen in den Mitgliedsstaaten im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und auf globaler Ebene unter wirksamer Kontrolle. Zur Verfolgung dieser Ziele wird die Europäische Verteidigungsagentur in eine Europäische Agentur für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Konversion umgewandelt, zu deren Zielen auch der Abbau nationaler Streitkräfte gehört. Die Aufgaben werden durch den Europäischen Rat und das Europäische Parlament bestimmt. Die Mitgliedsstaaten, die Atomwaffen besitzen, unternehmen besonders wirksame Schritte zur atomaren Abrüstung und zu deren Kontrolle.

Aktionen und Missionen der EU auf dem Gebiet der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sind ziviler Natur, darunter Maßnahmen der Konfliktvorbeugung und Friedensbewahrung, humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, sowie Maßnahmen zur Hilfe nach Konflikten, die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossen werden.

Das Recht einzelner oder mehrerer Mitgliedsstaaten der Union auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung nach Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates, entsprechende Bündnisverpflichtungen und der neutrale Status von Mitgliedsstaaten bleiben unberührt.

Beschlüsse des Europäischen Rates und des Ministerrates zu Fragen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheits- und Verteidigungspolitik werden einstimmig gefasst und bedürfen der Zustimmung des Europäischen Parlaments.

Die Linke will eine Europäische Union mit den Kompetenzen, die zur Erreichung ihrer Ziele zwingend notwendig sind und die ihr ausdrücklich von den Mitgliedsstaaten übertragen wurden. Der Vorrang der Zuständigkeiten der Mitgliedsstaaten und der nationalen Parlamente muss in der Verfassung verankert werden. Die Verfassung muss die Verantwortlichkeiten von Mitgliedsstaaten und Union eindeutig und stringent regeln, um der schleichenden technokratisch initiierten Kompetenzverlagerung zur EU-Kommission entgegenzuwirken. Subsidiarität wird prinzipiell gesichert.

Die Linke will ein demokratisches Europa. Sie will kein Europa der Kommissionen, Kabinette und Technokraten. Die Rechte des Europäischen Parlaments gegenüber den anderen Organen der EU bei der Gesetzgebung und bei anderen Entscheidungsverfahren sind auszubauen. Das Parlament und der Rat müssen neben der Kommission das Recht zur Gesetzesinitiative erhalten. Das Mitspracherecht des Parlaments muss alle Bereiche der Tätigkeit der Union umfassen.

Das Europäische Parlament soll zukünftig nach einem EU-weit einheitlichen Gesetz nach dem Verhältniswahlrecht gewählt werden. Nicht-EU-Bürgerinnen und –Bürger mit ständigem Wohnsitz in der EU sind wahlberechtigt.

Das Beschlussverfahren im Europäischen Rat und im Ministerrat muss die Integration auf gleichberechtigter, demokratischer und solidarischer Grundlage befördern. Im Europäischen Rat gilt das Konsensprinzip. Der Ministerrat muss Konsensbeschlüsse anstreben. Qualifizierte Mehrheit wird neu definiert: Sie muss selbstverständlich die Bevölkerungszahl beachten, nicht überbetonen und durch ausgewogene Regelungen Minoritäten schützen. Fälle, in denen mit qualifizierter Mehrheit entschieden wird, sind verfassungsrechtlich zu begrenzen. Eine Vermehrung dieser Fälle muss strengen Kriterien unterliegen.

Die Linke will, dass der alternative Verfassungsvertrag demokratisch, unter Beachtung des Selbstbestimmungsrechtes der Völker und der souveränen Gleichheit der Staaten zustande kommt. Unterschiedliche Wege führen zum Ziel. Es kann die Bildung einer verfassunggebenden Versammlung erwogen werden, die aus zwei Kammern besteht. Das 2009 zu wählende Europäische Parlament könnte sich als erste Kammer konstituieren. Die Zweite Kammer bestünde aus Vertretern der Regierungen und der Parlamente der Mitgliedsstaaten nach dem Prinzip der Gleichheit der Staaten. Der Verfassungstext wird unter breiter Teilnahme der Öffentlichkeit ausgearbeitet und allen Bürgerinnen und Bürger vorgelegt. Es findet in allen Mitgliedsstaaten am selben Tag und nach denselben Regeln eine Volksabstimmung über den Text statt.

Das Verfahren der Verfassungsgesetzgebung und der Verfassungsannahme muss angepasst werden, wenn nicht alle Mitgliedsstaaten an der Verfassungsgebung teilnehmen oder die Verfassung nicht innerhalb eines Jahres ratifizieren. Eine demokratische, soziale, freiheitliche und Frieden sichernde Union soll dann nicht an wenigen Einzelgängern scheitern.

Die Linke will ein Europa, das die Menschen ermutigt, sie will keine Union, die sie ängstigt und den politischen und wirtschaftlichen Interessen mächtiger, global agierender Minderheiten ausliefert.

Die Bausteine der Linken für die Verfassung helfen, die Bürgerinnen und Bürger für Europa wieder zu gewinnen, für eine Europäische Union mit unverwechselbarem Gesicht, fest verankert in der Werten der Demokratie, der Freiheit, des Rechts und der Solidarität.

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