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Murat Çakır

Am Jahresende

Wieder haben wir ein Jahr der Kriege, der Leiden und Blutes hinter uns gelassen. Trotz der Jahrtausende alten Geschichte und den unzähligen Erfahrungen hat die Menschheit immer noch nicht gelernt, in Frieden zu leben. Der deutsche Kommunist Berto Brecht schrieb »Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz. Ihre Vorstellungsgabe für kommende Leiden ist fast noch geringer...« Wenn wir auf das Jahr 2006 zurückschauen, müssen wir Brecht recht gegen.

Aber dennoch dürfen wir nicht verzagen. Um es wieder mit Brecht zu sagen: »Und doch wird nichts mich davon überzeugen, dass es aussichtslos ist, der Vernunft gegen ihre Feinde beizustehen. Lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen, damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde!« Ja, so wie Brecht es betont, nichts sollte uns davon zurückhalten, das zu Sagende zu sagen.

Es ist inzwischen eine Tradition geworden, den Neujahrsgrüßen stets wichtig erscheinende Zitate oder aber Kurzgeschichten zum Nachdenken bzw. zum Schmunzeln beizufügen. Eine Geschichte, die ich mit einem Neujahrsgruß erhalten habe, will ich hier wiedergeben.

Ein alter Araber lebt seit mehr als 40 Jahren in Chicago. Er würde gerne in seinem Garten Kartoffeln pflanzen, aber er ist allein und alt und schwach. Sein Sohn studiert in Paris. Deshalb schreibt er eine E-Mail an seinen Sohn:

»Lieber Ahmed,

ich bin sehr traurig, weil ich in meinem Garten keine Kartoffeln pflanzen kann. Ich bin sicher, wenn du hier wärst, könntest du mir helfen und den Garten umgraben.

Ich liebe dich. Dein Vater«

Prompt erhält der alte Mann eine E-Mail:

»Lieber Vater,

bitte rühre auf keinen Fall irgendetwas im Garten an. Dort habe ich nämlich `die Sache´ versteckt. Ich liebe dich auch. Ahmed.

Keine sechs Stunden später umstellen die US Army, die Marines, das FBI und die CIA das Haus des alten Mannes. Sie nehmen den Garten Scholle für Scholle auseinander, suchen jeden Millimeter ab, finden aber nichts. Enttäuscht ziehen sie wieder ab. Am selben Tag erhält der alte Mann noch eine E-Mail von seinem Sohn:

»Lieber Vater,

sicherlich ist jetzt der Garten komplett umgegraben und du kannst die Kartoffeln pflanzen. Mehr konnte ich aus der Entfernung leider nicht für dich tun. Ich liebe dich. Ahmed«

Diese Geschichte, die besonders in Palästina sehr populär ist, zeigt, wie man aus einer negativen Situation das beste herausholen kann. Nun, wir erleben eine Ära der Schlechten. Menschen, die menschenwürdig in Würde leben wollen, werden noch viel Leid und Schlechtes ertragen müssen. Doch, es ist eine dialektische Regel: in jedem Schlechten ist auch etwas Gutes. Es kommt nur darauf an, nicht zu resignieren und mit Hoffnung weiter zu kämpfen. Mit der unerschütterlichen Hoffnung von Nazim Hikmet, der schrieb »Wir werden schöne Tage erleben Kinder, schöne, sonnige Tage« wünsche ich allen, für das neue Jahr, in der hoffentlich ein wirkungsvoller Widerstand gegen Kriege, Ausbeutung und Unterdrückung gebildet wird, Tage voller Gesundheit und Kraft.

Am 30 Dezember 2006 veröffentlicht in der Tageszeitung »Yeni Özgür Politika«

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