Pop Up Window

Murat Çakır

Die deutsche Linke und die EU

Die sich im Parteibildungsprozess befindliche politische Linke in Deutschland, beabsichtigt die Zeit der EU-Präsidentschaft Deutschlands für die soziale, demokratische, ökologische und friedliche Kurskorrektur der Europa Politiken zu nutzen. So ist die Europa Konferenz, die gestern begann und gemeinsam von der Fraktion Die Linke. im Deutschen Bundestag, der Fraktion GUE/NGL im Europäischen Parlament und der Rosa-Luxemburg-Stiftung durchgeführt wird, als ein Versuch zu bewerten, den Herausforderungen, vor denen die EU nun steht, linke Antworten zu entwickeln.

Gerade in einer Zeit, in der Kritik laut wird, dass die deutsche Linke nicht »europäisch« genug sei, gewinnt eine solche Konferenz in Berlin, an der die VertreterInnen der europäischen politischen Linken teilnehmen, eine besondere Bedeutung. Denn die Krise der »Europäischen Integration« birgt für eine linke Politik wichtige Chancen.

Die neoliberale Politik der EU-Eliten, allen voran Kerneuropas verursacht in dem »Kontinent der Wohlfahrt« große Brüche. Während der Wirtschaftswachstum stetig zurückgeht, wächst die Massenarbeitslosigkeit und die Armut. Einnahmen aus Unternehmens-, Kapital- und Vermögensgewinnen erreichen rekordverdächtige Höhen, aber die Löhne verzeichnen reelle Verluste und die Arbeits- und Lebensverhältnisse von Millionen wird zunehmend prekarisiert. Öffentliche Dienste, Daseinsvorsorge, soziale Sicherungssysteme, kurzum nahezu alle Bereiche des Lebens sollen dem Diktat der Kapitalverwertung unterstellt werden. Während soziale und demokratische Rechte nach einander abgebaut werden, wird die bürgerliche Demokratie ausgehöhlt. Weitreichende Entscheidungen werden an bürokratische Institutionen und nichtstaatliche Strukturen, deren demokratische Legitimation höchst umstritten ist, übertragen. Die politischen Gestaltungs- und Regulierungsmöglichkeiten der parlamentarischen Systeme werden unter die Herrschaft der internationalen Finanzmärkte gestellt. Profitlogik und Kapitalinteressen werden zunehmend zum Maßstab der Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitiken der EU und somit der EU-Mitgliedsländer.

Gleichzeitig wird Europa, in der aufgrund der schmerzlichen Erfahrung des Faschismus und den imperialistischen Kriegen die Tendenz »Nie wieder!« maßgeblich war, nach und nach zu einem Zentrum des Militarismus, einem autoritären Innenpolitik, des Völkerrechtsbruchs und imperialen Gelüsten umgebaut. Kerneuropa, die unter dem Dach der EU und gemäß der »Lissabon Strategie« sich neben den Aggressor USA stellt, nimmt in der Hoffnung, an der Plünderung der Rohstoff- und Energiereserven teilzuhaben, das Ausbluten des »Südens« hin und beteiligt sich z.T. daran. Mit den Argumenten der Menschenrechte und der Demokratie fördert die EU »Regimewechsel« in Nachbarländern und baut in ihrer Peripherie eine Kette von Satellitenstaaten auf.

Natürlich ist es ein Hoffnungsschimmer, wenn die Mitgliedsparteien der Europäischen Linkspartei in einer solchen Situation zusammenkommen und über die Frage »Welches Europa?« debattieren. Die Ablehnung des EU-Verfassungsvertrages in Frankreich und in den Niederlanden sowie der breite gesellschaftliche Widerstand gegen marktradikale Maßnahmen wie die »EU-Dienstleistungsrichtlinie« belegen, dass die neoliberale Politik durchaus zurückgedrängt werden kann und der Neoliberalismus nicht allmächtig ist. Die Frage ist nur, ob die europäische Linke es bewerkstelligen kann, daran anzusetzen und ein breiteren gesellschaftlichen Widerstand organisieren kann.

Politische Lösungsvorschläge im nationalstaatlichen Rahmen wie sie Teilweise im »EU-Memorandum« von Oskar Lafontaine und Gregor Gysi formuliert sind, sind m. E. nicht ausreichend geeignet, um den Herausforderungen des Kapitalismus im 21. Jahrhundert und gegen die Hegemonie der internationalen Finanzmärkte die notwendigen Antworten zu geben. Die Linke hat Chancen, wirksam gegen den neoliberalen Umbau Europas sich entgegen zu stellen. Aber die Linke wird diese Chancen nur nutzen können, wenn sie auf der Europa-Ebene und auf übernationalstaatliche Strukturen zielende Politik entwickeln kann. Weder das Sozialstaatsverständnis des rheinischen Kapitalismus, noch ein Verständnis, mit Staatsfixiertheit Probleme lösen zu wollen, können dafür ausreichend sein. Die europäische Linke wird ohne einen Paradigmenwechsel und ohne die Negation der »Nation« und des Nationalstaatsverständnisses als Relikte des 19. und 20. Jahrhunderts nicht in der Lage sein, für den wirksamen Widerstand gegen die Herrschaft der Finanzmärkte breite gesellschaftliche Bündnisse einzugehen und eine Politik, die auf eine Gesellschaft zielt, in der soziale Sicherheit, partizipative demokratische Willensbildung, eine an den Interessen der Gesellschaft gerichtete Wirtschaftspolitik, ökologische Erneuerung und ein solidarischer, friedlicher Entwicklungsweg dessen Grundpfeiler sind, zu entwickeln. Wenn die EU-Konferenz der Linken in Berlin einen solchen Ansatz deutlich machen kann, wird sie ihre Aufgabe erfüllt haben.

Am 10. März 2007 veröffentlicht in der Tageszeitung »Yeni Özgür Politika«

Tüm yazı ve çeviriler kullanılabilir. Dergimizin kaynak olarak gösterilmesi rica olunur.
Alle Beiträge und Übersetzungen können übernommen werden. Hinweis auf unsere Seite wird gebeten.